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von Steffen Hohl
Branchenevents im Wandel
Zusammen mit vielen Branchenkollegen konnte ich Ende Februar 2020 noch die Vorzüge der physischen Meeting-Kultur genießen. Die TTE & Business Travel Show war am 26./27. Februar in London für zwei Tage der internationale Treffpunkt für Geschäftsreise- und Travel Tech-Profis. Bis heute konnte in dieser Form kein Branchentreffen mehr stattfinden.
Und die absehbar angekündigten Fachmessen und -kongresse müssen unter gänzlich anderen Voraussetzungen stattfinden. Abstands- und Hygienevorschriften werden die Messewirtschaft kurz- und mittelfristig tiefgehend prägen – gut, dass die Branche mit der Lenkung von Besucherströmen jedenfalls bestens vertraut ist.
Rein digital, hybrid, whatever
Zwischenzeitlich wird dem Wunsch nach Geschäftsmöglichkeiten im Messe- und Kongressumfeld zusehends über digitale Formate entsprochen: Zuerst (notgedrungen) rein digital, jetzt vermehrt in hybrider Form mit einer Mischung aus Sessions, die die Teilnehmern per Videokonferenz verfogen sollen, und Debatten mit Zuschauern vor Ort. Der fvw Kongress wird derzeit als hybrides Event geplant und kann hierzulande Ende August/Anfang September so zum ersten realen Treffen von Touristikern seit dem Lockdown werden.
Rein digital hat sich die Online Travel Conference (OTC) am 22./23. April ziemlich schnell als weltweit erste E-Conference der Travel Industry in Szene gesetzt. Was aus schierer Not entsprungen ist, könnte allerdings schnell neue Maßstäbe setzen.
bd4travel auf der OTC
Wir sprechen mit unserem Kunden bd4travel über die OTC und zu den Erfahrungen mit der ersten reinen Digital-Conference der Reisebranche. Helge Moser, Marketing Director von bd4travel, war nicht nur live online dabei, sondern auch für die Konzeption der digitalen Messe- und Markenpräsenz des Technologieanbieters auf der OTC verantwortlich.
Yeahmazing: „Hallo Helge! Ihr seid seit Jahren auf Fachmessen und -kongressen rund um den Globus vertreten. Wie habt ihr die OTC als erste reine Online Travel Conference erlebt?“
Helge Moser, Marketing Director, bd4travel: „Es war eine interessante und auch lehrreiche Erfahrung. Die OTC hat sich ja als erste virtuelle Messe- und Kongressveranstaltung im B2B Reisebereich verstanden, daher waren wir gespannt, mit welchen Ideen und Ansätzen aufgewartet wird. Aktuell gibt es ja unzählige Webinare und virtuelle Talk-Runden, aber den Mehrwert einer Messe mit Konferenz ist aus Anbietersicht ja vor allem die Möglichkeit neue Kontakte und Kunden zu generieren – etwas, was aktuell fast komplett hinten runter fällt.“
Yeahmazing: „Digitale Komponenten waren in der Messewirtschaft bereits vor der Corona-Krise etabliert, z.B. über die einschlägigen Meeting-Planner. Was war in dieser Hinsicht bei der OTC innovativ, anders, besser?“
Helge Moser: „Die Meeting Planer und Matching Tools, die ich bislang erleben durfte, haben bei mir keine besonders positive Erfahrung hinterlassen. Meist war es optional, dass man sich überhaupt dort einträgt, oft wurde dann nicht reagiert oder man bekam vor allem generische Marketing-Nachrichten. Und überhaupt, ‘spielte die Musik doch immer auf dem Platz‘. Vor Ort ergaben sich die interessanten Gespräche und Kontakte, teils durch Zufall, teils, weil man mit jemand sprach, der jemand kannte oder weil man sich Abends auf der Party über den Weg lief.
Auf der OTC war es klar, dass es über das Tool laufen MUSS, und so waren alle Teilnehmer gelistet und es gab entsprechende Kontaktmöglichkeiten. Man konnte sehen, wer mit einem in einer Konferenz-Session ist und wer sich auf deinem virtuellen Messestand tummelte. Auf dem virtuellen Messestand konnte man dann direkt über Zoom in ein Gespräch einsteigen. Ok, so häufig waren dann die Zoom-Kontakte am Ende doch nicht, wie auf einer realen Messe. Aber es fühlte sich deutlich realer, spontaner und interaktiver an, als bei den bisherigen ‚wir brauchen auch so ein Meeting-Planer Tool‘-Ansätzen der etablierten Messen.“
Yeahmazing: „Der Aufwand der Vorbereitung dürfte im Vergleich zur physichen Messepräsenz weit geringer sein, beispielsweise entfallen ja der Standbau und die Aufenthaltsplanung. Was ist bei der Vorbereitung einer rein digitalen Messepräsenz zu beachten?
Helge Moser: „Das ist absolut richtig. Wer hat heute noch die Freiheit, einfach mal 30K bis 50K EUR in einen Messestand zu stecken? Klar, das ist eine tolle Sache und der Effekt ist ein anderer, aber wenn Du mit kleinem Budget und kleiner Mannschaft eine internationale Präsenz anstrebst, dann ist das keine realistische Lösung. Wichtig ist beim virtuellen Messestand natürlich, wie man sich dort präsentieren kann – also, welche Möglichkeiten bietet das Tool selbst und welche passenden Inhalte und Formate hast Du als Anbieter. Gut ist sicher, wenn es verschiedene Formate sind, also auch Dinge wie Explainer Videos, Kundeninterviews, Case Studies oder Produkt-Demos und sich die Interessenten so schnell und unterhaltsam informieren können.“
Yeahmazing: „Ganz ohne physisches Get-together will man sich die zukünftige Messewirtschaft aber nicht vorstellen. Gehört die Zukunft dabei den hybriden Formen des geschäftlichen Zusammentreffens, also einer Mischung aus zunehmend digitalen Komponenten, wie z.B. Video-Conferencing, in Verbindung mit einer neuen Meeting- und Diskussionskultur der Teilnehmer vor Ort?“
Helge Moser: „Das ist zu vermuten, ja. Es muss sich zeigen, wie das am besten funktioniert. Wer schon einmal mehrere Stunden vor dem Büro-Laptop saß und an einer Online-Veranstaltung teilgenommen hat, weiß: Das ist kein Spass und man ist Gedanklich sehr schnell woanders und hört nur noch mit einem Ohr zu, ob vielleicht was spannendes passiert. Daher wird es darauf ankommen, die persönliche Interaktion bei virtuellen Events zu stärken – und da kann es nicht nur um Wissensvermittlung gehen, sondern es muss noch stärker vertriebsbezogene Möglichkeiten geben. Ich finde es zudem spannend zu sehen, ob es dann einfach eine virtuelle und eine physische Teilnahme geben wird – oder, ob vor allem diejenigen, die für den Inhalt sorgen, vor Ort sind und sich die Teilnehmer mehrheitlich virtuell zuschalten.
Virtuelle Events, Konferenzen und Messen gehören in Zukunft zur Normalität. Wichtig ist dabei, dass sie nicht nur der unilateralen Wissensvermittlung dienen und auch die vertrieblichen Interessen von Austellern stärker berücksichtigt werden – ohne zu reinen Marketing-Plattformen zu mutieren. Dafür müssen wechselseitige Kommunikation, Relevanz und Qualität durch innovative Formate und Tools gesichert werden.“
Vielen Dank, Helge!